Inflation: Nur keine Panik
Ja, die Inflation in der Schweiz ist stark gestiegen. Sie bewegt sich aber immer noch auf einem normalen Niveau und ist im Vergleich zum Euroraum gering. Wer eine Lohnerhöhung fordern will, sollte also mehr Argumente in petto haben als den reinen Kaufkraftverlust
Nach den Euroländern und den USA hat es nun auch die Schweiz erwischt. Die Inflation ist da. Die Franken im Portemonnaie und auf dem Konto sind von Tag zu Tag weniger Wert. Im Juni lag die Inflationsrate in der Schweiz bei 3,4 Prozent – so hoch wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr. Das lässt die Alarmglocken der Schweizer Nationalbank (SNB) schrillen. Immerhin ist das eigentliche Inflationsziel von null bis zwei Prozent damit überschritten. Die SNB hat deshalb bereits den Leitzins um einen halben Prozentpunkt von minus 0,75 auf minus 0,25 Prozent erhöht, um einen weiteren Anstieg der Inflation zu verhindern. Im Euroraum fällt die Resonanz deutlich geringer aus. Die Europäische Zentralbank hielt lange Zeit die Füsse still, und dass obwohl die Inflation in der Eurozone bereits auf einem Rekordniveau von 8,6 Prozent (Stand: Juni 2022), also mehr als doppelt so viel wie hierzulande, angekommen ist. Im Juli soll der Leitzins nun aber von aktuell null Prozent auf 0,25 Prozent angehoben werden – so wurde es beschlossen.
Also alles halb so wild in der Schweiz? Das kommt ganz auf die Lebensumstände an, wie eine Berechnung der NZZ zeigt. Wer ohnehin sparsam lebt und vor allem öffentliche Verkehrsmittel nutzt, für den hat sich nicht so viel geändert. Gutverdiener, die in der Stadt wohnen, ein Auto besitzen und gerne mal verreisen, shoppen oder essen gehen, müssen allerdings heute schon rund sechs Prozent mehr berappen. Das liegt vor allem an den überdurchschnittlich stark gestiegenen Preisen im Bereich Verkehr, Haushalt, Wohnen und Energie. Wer wissen will, wie hoch die persönliche Inflationsrate in etwa ist, der kann diese mit dem Online-Teuerungsrechner des Bundesamts für Statistik ausrechnen.
Gewerkschaftsbund fordert generelle Lohnerhöhung
Damit es im Geldbeutel nicht immer weniger Franken werden, hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) bereits im Mai dieses Jahres Lohnerhöhungen gefordert – und die Grossen ziehen wohl mit. So haben Unternehmen wie Coop, Credit Suisse, die Post und Co. gegenüber 20min angekündigt, die Teuerung bei der nächsten Gehaltsrunde zu berücksichtigen. Was genau das heisst, bleibt jedoch offen.
Schliesslich müssen auch Unternehmen zuerst die Lage sondieren. Die Inflation belastet nicht nur Privatpersonen, sondern eben auch Firmen. Nicht alle können die Preissteigerungen, die sie selbst im Einkauf erfahren, eins zu eins an die Kunden weitergeben. Das kann das eigene Geschäft ins Wanken bringen und Lohnsteigerungen verhindern. Ausserdem sollten Schweizer Arbeitnehmende die bisherige Wertentwicklung des Franken nicht vergessen. Die vergangenen Jahre waren schliesslich nicht von Inflation, sondern von Deflation, also einer Geldaufwertung, geprägt. Konsumgüter, Energie und Nahrungsmittel sind deshalb zwischen 2008 und 2021 in vielen Jahren günstiger und nicht teurer geworden. Die Löhne sind trotzdem gestiegen oder zumindest nicht gesunken – Verluste durch die Pandemie ausgenommen.
Inflation allein ist kein Grund für mehr Gehalt
Eine pauschale Lohnerhöhung oder ein genereller Teuerungsausgleich, wie es sich der SGB wünscht, ist daher eher unwahrscheinlich. Zusätzlich ist der Anlass für mehr Salär in der Regel eine Leistungssteigerung, eine Beförderung oder die Übernahme weiterer Aufgaben. Selbst wenn Unternehmen also versprechen, die Teuerung in der nächsten Gehaltsrunde zu berücksichtigen, spricht das noch lange nicht dafür, dass alle gleichermassen mehr bekommen. Lohn ist und bleibt Verhandlungssache. „Die Arbeitnehmenden, die für die Firma strategisch wichtig sind, werden mittelfristig besser entlohnt werden“, sagt Tobias Egli, CEO von Lohncheck gegenüber 20min. Es bleibt also beim Prinzip: Wer viel leistet, kann auch viel fordern. Ist zum Beispiel ein grosses Projekt erfolgreich abgeschlossen oder ein Meilenstein erreicht, ist eine solche Erfolgsmeldung ein guter Anlass zur Verhandlung, so Egli.
Wie viel Spielraum nach oben ist, können Verhandlungswillige direkt im Lohncheck prüfen. Der SGB zum Beispiel fordert ein Lohnplus von vier bis fünf Prozent, um die Inflation und noch dazu die anstehende Erhöhung der Krankenkassenprämien auszugleichen. Im Bestfall ergibt sich dadurch sogar eine Reallohnerhöhung. Es steht dann also nicht nur eine grössere Zahl auf der Lohnabrechnung, sondern Schweizerinnen und Schweizer hätten dann tatsächlich auch beim Nettoverdienst wieder mehr Geld zur Verfügung.
Stellenwechsel kann Wunschgehalt bringen
Voraussetzung dafür ist aber ein kooperativer Arbeitgeber. Lässt sich der Chef überhaupt nicht auf das Gespräch ein oder weigert sich auch nur eine kleine Inflationskorrektur vorzunehmen, bleibt noch eine Option: „Insbesondere bei Funktionen, wo es eine hohe Nachfrage gibt, sind Arbeitnehmende in einer guten Position, einen höheren Lohn beim Stellenwechsel einzufordern“, sagt Lohncheck-CEO Egli bei 20min. Auch hier hilft Lohncheck bei der Orientierung. Liegt das Angebot erstmal auf dem Tisch, kann man damit immer noch zum aktuellen Chef gehen und fragen, ob er oder sie gleichziehen möchte – sofern einem etwas an der jetzigen Stelle liegt. Falls nicht, hat der Jobwechsel gleich zwei Vorteile.