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Arbeit ohne Jobs

Autor: Tobias Egli / am

Feste Jobs und starre Stellenbeschreibungen könnten bald der Vergangenheit angehören: In der digitalisierten Arbeitswelt kaufen Unternehmen Kompetenzen und Talente ein, statt traditionelle Stellen zu besetzen. Und lagern manche Aufgaben dabei ganz an Maschinen aus.

Ist der Fachkräftemangel vielleicht vor allem ein Denkfehler? Diese Frage stellen sich Arbeitsmarktforscher und HR-Manager. Einerseits wird es immer schwieriger, Stellen mit passenden Fachkräften zu besetzen. Andererseits hat uns gerade die Corona-Pandemie deutlich vor Augen geführt, dass kluge und qualifizierte Menschen nicht unbedingt ständig in einem Büro in festen Konstellationen zusammensitzen müssen, um gute Ergebnisse zu liefern.

Das verstärkt einen Trend, der sich schon vor der Pandemie abzuzeichnen begann: Der Blick von Personalplanern auf die Angestellten im eigenen Unternehmen und auf den Talentpool ausserhalb verändert sich. In vielen Unternehmen standen zuletzt die gewohnten Routinen, Prozesse und Hierarchien auf dem Prüfstand. Man versucht sich in agilen Arbeitsweisen, zerlegt gewohnte Rollen und Stellenbeschreibungen und bricht Tätigkeitsprofile auf in die einzelnen Fähigkeiten, Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften, aus denen sie sich zusammensetzen. Feste Abteilungsgrenzen werden ersetzt durch ein stärker projekt- und teambasiertes Arbeiten. Forscher sprechen davon, dass sich ein neues Betriebssystem für die Zusammenarbeit in Unternehmen etabliert. Und zwar eines, bei dem Menschen ihre Fähigkeiten, Erfahrungen und ihre persönlichen Stärken viel flexibler dort einsetzen, wo sie gerade gebraucht werden – statt nur im Rahmen einer festen Stelle in einer festen Abteilung.

Diese Denkweise löst einen Knoten, der sich in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen immer fester zugezogen hat. Denn: Die genau passende Fachkraft für eine Festanstellung zu finden, das wird in immer mehr Branchen und Fachbereichen immer schwieriger. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Es ist womöglich auch gar nicht sinnvoll, eine dauerhaft perfekte Besetzung für eine Stelle zu suchen – denn die Anforderungsprofile ändern sich ohnehin immer schneller. Der gerade noch perfekt geeigneten IT-Fachkraft fehlen vielleicht schon für das nächste Projekt essenzielle Fähigkeiten und Erfahrungen – und schon geht die Suche wieder von vorne los. Hinzu kommt: Viele in der jüngeren Generation der hochqualifizierten Digital Natives hat auch gar kein grosses Interesse daran, sich über lange Jahre an einen einzelnen Arbeitgeber und einen festen Karrierepfad zu binden. Sie interessieren sich mehr dafür, wie und für wen sie ihre Fähigkeiten gerade bestmöglich einsetzen, weiterentwickeln und vermarkten können.

Personaler fragen sich in dieser Situation immer häufiger: Ist es denn wirklich eine neue Fachkraft, die ich suche? Ist es also ein neuer fester Mitarbeiter, jemand, der sich intern vernetzt, der die Abläufe, Systeme und Prozesse im Unternehmen im Detail kennen und beherrschen muss? Oder geht es eigentlich vor allem um eine klar abgegrenzte, konkrete Aufgabe, die regelmässig oder kurzfristig in einem Team zu lösen ist? Oder um fehlende Fähigkeiten für ein zeitlich begrenztes Projekt?
Es ist womöglich einfacher, sich international ein Team von IT-Freelancern einzukaufen, die an einem Projekt mitarbeiten, als einen einzelnen IT-Experten mit den genau passenden Qualifikationen für eine Festanstellung zu finden. Oder aber: sich im eigenen Unternehmen umzuschauen nach den passenden Fähigkeiten und Ressourcen. Gerade für grosse, international aufgestellte Unternehmen bietet es enorme Vorteile, auch den eigenen Talent-Pool gezielter anzuzapfen.

Interne und externe, digitale Talentmarktplätze helfen Unternehmen dabei. Unterstützt von Künstlicher Intelligenz und automatisierten Projekt- und Auftragsmanagement-Tools machen Fachkräfte auf solchen Plattformen transparent, welche Kompetenzen und welche zeitlichen Ressourcen sie unter welchen Bedingungen zur Verfügung stellen können und wollen. Oder auch: In welchen Projekten sie weitere Erfahrungen und Fähigkeiten sammeln wollen. Forscher sprechen von einer „On-Demand-Workforce“ oder einer „Open Talent Economy“, die im Entstehen begriffen ist.

Eine der grössten Herausforderungen für Unternehmen ist dabei, ihre internen digitalen Ökosysteme anschlussfähig zu machen für diese grundsätzlich anderen, flexibleren und modulareren Arbeitsmärkte. Dazu müssen sie sich im ersten Schritt einen Überblick verschaffen darüber, welche Kompetenzen sie eigentlich im Unternehmen gerade wo verfügbar haben, wo Teams ein Upskilling benötigen und welche Fähigkeiten künftig gebraucht werden.

Die gute Nachricht: Digitale Analysetools und Plattformen werden Personalmanagern dabei helfen. Zum Beispiel indem sie Projekte mit den passenden Fachkräften matchen. Oder indem sie zeigen, wie hoch gerade der Marktwert und die Verfügbarkeit bestimmter Kompetenzen oder Expertenprofile auf dem Markt ist. Wo Kompetenzen und Anforderungsprofile so klar auf der Hand liegen, fällt es auch leichter, zu entscheiden, für welche Tätigkeiten überhaupt noch Menschen eingesetzt werden müssen – und welche womöglich besser und effizienter durch digitale Dienstleister automatisiert werden können.

Negativ betrachtet klingt dieses Szenario nach einer auf die Spitze getriebenen Automatisierung und Arbeitsteilung, bei der Menschen in einem harten Wettkampf um zu verteilende Aufgaben konkurrieren. Forscher wie John Boudreau hingegen sehen eine Art goldenes Zeitalter für Wissensarbeiter und Fachkräfte gekommen: Unternehmen – oder vielmehr einzelne Führungskräfte – würden in einer Welt der Arbeit ohne Jobs dazu gezwungen, mit wirklich gutem Management um die flexiblen Fachkräfte zu konkurrieren. Denn die entscheiden sich nur für diejenigen Teams, in denen die Führungskräfte eine gute Reputation haben, in denen sie eine optimale Arbeitsumgebung finden und sich persönlich weiterentwickeln können.

Noch erscheint eine solche Arbeitswelt als Zukunftsmusik. Doch es lohnt sich, schon jetzt bei der Personalauswahl und auch beim Blick auf interne Lohnstrukturen und Aufgabenprofile einmal einen anderen Blick zu wagen – und für mehr Transparenz zu sorgen.

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