Warum Uber keine AHV-Beiträge zahlt
Digitale Plattformen wie Uber kämpfen weltweit vor Gericht darum, nicht als Arbeitgeber eingestuft zu werden. Auch in der Schweiz will Uber keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Braucht es neue Gesetze für die Unternehmen der Plattform-Ökonomie?
200 Millionen Dollar haben sich die digitalen Liefer- und Fahrdienste Uber, Lyft, Doordash und Instacart im vergangenen Jahr eine gemeinsame Kampagne kosten lassen: Über Monate kämpften die Digitalplattformen gemeinsam in ihrer Heimat Kalifornien gegen ein geplantes Gesetz, das sie dazu verpflichtet hätte, ihre Fahrer wie Angestellte zu behandeln. Am Ende setzten sie sich durch – die Einwohner Kaliforniens stimmten knapp dagegen, die Fahrer im Dienste der Plattformen als Angestellte einzustufen.
Das Geschäftsmodell der Plattformen ist nicht nur in den USA, sondern weltweit umstritten: Uber und Co sehen sich als Auftraggeber und Vermittler für selbstständige Digitalarbeiter. Die würden ihre Plattformen lediglich nutzen, um dort ihre Dienste als Liefer- oder Taxifahrer frei anzubieten. Kritiker hingegen bemängeln, dass sich die Fahrer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Auftraggebern befinden, die ihnen sehr genaue Vorgaben machen, wann, zu welchen Konditionen und in welcher Form sie ihre Dienstleistung anzubieten haben, und die das Verhalten der vermeintlich selbstständigen Fahrer sehr genau kontrollieren und steuern. Der Verdacht: Die Plattformen wollen sich lediglich davor drücken, sich an Sozialgesetze wie Mindestlohn- und Sozialversicherungspflicht zu halten. Denn müssten sie diese zahlen, könnten sie ihre Dienstleistungen nicht mehr günstiger anbieten als etwa klassische Taxi-Dienstleister – das Geschäftsmodell der Gig-Working-Plattformen würde nicht mehr funktionieren.
Gerichte weltweit tun sich schwer damit, das Geschäftsmodell und den Status der Gigworker eindeutig einzuordnen. Während in Kalifornien die Plattformen den Sieg über eine Gegeninitiative von NGOs und Gewerkschaften davontrugen, entschied nur wenige Monate später der Supreme Court in London zugunsten der Digital-Gewerkschafter: In Grossbritannien sind Uber-Fahrer nun als Angestellte zu behandeln. Einer der Richter erklärte das einstimmige Urteil des höchsten Gerichtes: „Die Fahrer sind in einer Position der Unterordnung und Abhängigkeit von Uber, so dass sie wenig oder gar keine Möglichkeit haben, ihre wirtschaftliche Position durch berufliche oder unternehmerische Fähigkeiten zu verbessern.“ Daher seien sie Arbeitnehmer, keine Unternehmer oder Selbständigen. Auf Uber kommen damit hohe Nachzahlungen zu, womöglich muss es jedem Fahrer mehrere tausend Pfund für entgangenes Urlaubsgeld und die Differenz zum Mindestlohn rückwirkend zahlen. Es heisst, tausende britische Uber-Fahrer bereiteten bereits eine Massenklage vor. Auch in Frankreich entschied ein Gericht bereits, dass ein Uber-Fahrer rechtlich als Angestellter einzuordnen sei.
In der Schweiz hingegen ist die Entscheidung, inwieweit Uber-Fahrer nun freie oder angestellte Erwerbstätige sind und wer die Sozialversicherungskosten übernehmen muss, noch nicht abschliessend gefallen. Zwar entschied das Bundesgericht im April, dass die Fahrdienstplattform Uber Switzerland mit Sitz in Zürich nicht Arbeitgeberin der „UberPop“-Fahrer im Land sei und daher auch keine AHV-Beiträge an die Ausgleichskasse zahlen müsse. Unklar ist aber weiterhin, wie es mit der Muttergesellschaft des Schweizer Uber-Dienstes aussieht: Die Rasier Operations B.V. sitzt in den Niederlanden. Zur Frage, ob diese wie die Arbeitgeberin der Schweizer Uber-Fahrerinnen und -Fahrer zu behandeln ist, wird in einem weiteren Verfahren vor dem Bundesgericht entschieden – zudem laufen mehrere kantonale Verfahren. Ein Waadtländer Gericht hat Uber bereits rechtskräftig als Arbeitgeber eingestuft.
Uber-Chef Dara Khosrowshahi plädiert derweil dafür, die mehr als drei Millionen Uber-Fahrer weltweit erst gar nicht in das etablierte Kategoriensystem von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten zu pressen. Er wirbt vielmehr dafür, die Arbeitsgesetze grundsätzlich zu ändern, um sie der Realität einer digitalisierten Arbeitswelt anzupassen. Sein Argument: Den Uber-Fahrern sei nicht damit gedient, wenn man sie nun zu Angestellten erkläre – schliesslich wüssten viele die Flexibilität der digital vermittelten Jobs durchaus zu schätzen. Uber würde lieber einen eigenen Sozialfonds auflegen, der Zuschüsse zu Kranken- und Unfallversicherungen zahlen würde.
Spätestens mit solchen Vorstössen wird die Causa Uber für alle Unternehmen interessant: Gelingt es internationalen Digitalunternehmen dauerhaft, die geltenden nationalen Sozialgesetze zu unterlaufen? Scheitern ihre Geschäftsmodelle irgendwann daran, dass sie per Gesetz doch dazu gezwungen werden, sich wie klassische Arbeitgeber zu verhalten, und die offenen Rechnungen zu begleichen? Oder wird sich mittelfristig tatsächlich der gesetzliche Rahmen ändern und Ausnahmeregeln für Digital-Geschäftsmodelle schaffen? Wer wissen will, wie es weitergeht, sollte seinen Blick auch gen Brüssel richten: Dort ist eine Initiative zur Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit angelaufen. Die EU-Kommission stimmt sich mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden darüber ab, ob diese eigene Vorschläge vorlegen wollen. Legen die Sozialpartner keine eigenen Ideen vor, will die EU-Kommission selbst im kommenden Jahr aktiv werden.