Vorsorge: Das ändert die AHV-Reform / Lohncheck
Für Frauen in der Arbeitswelt ändert sich bald einiges – zumindest wenn die AHV-Reform nicht an der Urne scheitert. Noch diskutieren Ständerat und Parlament, die wichtigsten Eckpfeiler der Rentenreform stehen aber schon fest. Darauf müssen sich Arbeitnehmerinnen einstellen.
Immer weniger Einnahmen, aber mehr Ausgaben – es braucht dringend eine AHV-Reform, um die Schweizer Rentenkasse zu stabilisieren. Die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) haben das Ungleichgewicht mit einem Zuschuss von zwei Milliarden Franken jährlich zwar gelindert, aber nicht ausgeglichen. Eine richtige Reform muss her. Und die soll die Initiative AHV21 der Sozialkommission des Bundesrats (SGK-S) bringen.
Von der Reform ist die erste der drei Säulen des Schweizer Rentensystems betroffen. In die „Alters- und Hinterlassenenversicherung“ (AHV) zahlen Arbeitnehmer und -geber gleichermassen ein. Von den insgesamt 10,25 Prozent fliesst der Grossteil (8,4 Prozent) in die Altersvorsorge, der Rest in die Invalidenversicherung und Ergänzungsleistungen.
Noch ist die Reform nicht durchgewunken, Ständerat und Parlament sind in einigen Punkten uneins – und das bereits seit über einem Jahr. Ursprünglich sollte die Reform, wie der Name AHV21 sagt, schon in diesem Jahr in Kraft treten. Eine Umsetzung zum Jahr 2022 ist schon nicht mehr möglich, nun peilen die Politiker 2023 an. Folgt der Entscheidung ein Referendum, könnte die Reform wohl erst 2024 wirken.
Rentenalter für Frauen steigt auf 65
Bei ein paar Punkten sind sich Ständerat und Nationalrat auch schon einig, es hapert vor allem an den Details. Aber auf einen grossen Punkt haben sich beide Seiten bereits geeinigt: Das Rentenalter (neu: Referenzalter) für Frauen steigt von 64 Jahren auf 65 – also auf das Niveau der Männer. Im OECD-Vergleich ist die Schweiz mit ihrer Entscheidung ziemlich spät dran.
Das liegt wohl auch daran, dass sich weder Politik noch Volk einig sind. Im Jahr 2011 scheiterte der Vorschlag, das Rentenalter für Frauen zu erhöhen, im Parlament. 2017 lehnte dann die Bevölkerung in einer Abstimmung ab. Das letzte Mal votierten die Schweizer 1995 für eine Renten-Reform. Seitdem ist viel passiert. Allein seit der letzten Abstimmung im Parlament ist die Lebenserwartung von Frauen um rund drei Jahre gestiegen – fast ein Jahr mehr als bei den Männern. Trotzdem dürfen Arbeitnehmerinnen nach wie vor früher in Rente gehen. Die Gegner der Anpassung des Rentenalters sind linke Parteien und Gewerkschaften. Die Unia als grösste Gewerkschaft der Schweiz protestiert unter dem Motto: Hände weg von den Frauenrenten. Die Begründung: Frauen hätten bereits mit Benachteiligungen im Job zu kämpfen und damit ohnehin geringere Renten.
Dass sowohl der Bundesrat als auch Ständerat sich beim Referenzalter noch umentscheiden, ist sehr unwahrscheinlich. Arbeitnehmerinnen können sich also schon auf ein längeres Arbeitsleben einstellen. Ausserdem ist die AHV auf die Mehreinnahmen durch länger arbeitende Frauen und die Ersparnisse aufgrund einer leicht verkürzten Rente angewiesen. 1,4 Milliarden Franken soll das in die Rentenkasse spülen. Das allein reicht aber nicht um den AHV-Fonds aus den roten Zahlen zu holen. Die AHV-Reform ist darum an eine Mehrwertsteuer-Erhöhung geknüpft. Der Normalsatz der Mehrwertsteuer soll um 0,4 Prozentpunkte steigen und um 0,1 Prozentpunkte bei den reduzierten Sätzen. Darauf konnten sich Ständerat und Bundesrat einigen.
Auch andere Punkte der Initiative sind hingegen noch umstritten. Ein Überblick:
Ausgleichszahlungen für Übergangsgeneration
Für Frauen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, kommt die AHV-Reform natürlich ungelegen. Sie und ihre Arbeitgeber haben wahrscheinlich fest mit dem Renteneintritt zum 64. Geburtstag gerechnet. Ständerat und Parlament haben das Problem auf dem Schirm. Beide planen darum eine schrittweise Erhöhung des sogenannten Referenzalters und planen Ausgleichszahlungen. Geht es nach dem Ständerat sollen die ersten sechs betroffenen Jahrgänge einen Ausgleich erhalten. Tritt die Reform 2023 in Kraft, hätten Frauen der Jahrgänge 1960 bis 1965 also Anspruch darauf. Die Sozialkommission hingegen will die ersten neun Jahrgänge für den späteren Renteneintritt entschädigen.
Auch bei der Höhe der Zahlungen gibt es Unstimmigkeiten.
Der Nationalrat und SGK-S wollen die Ausgleichszahlungen an das massgebende Einkommen knüpfen. Frauen mit niedrigem Einkommen sollen vergleichsweise höhere Rentenzuschläge erhalten. Der Ständerat hingegen will sich nach dem Zeitpunkt des Erreichens des Referenzalters, also 65 Jahren, richten. Der Zuschlag soll dann erst ansteigen und mit der Zeit fallen.
Gemessen an den aktuellen Ideen der SKG-S könnte es sich für die Übergangsgenerationen durchaus lohnen, länger zu arbeiten. So sollen Frauen mit einem Jahreseinkommen bis zu 57'360 Franken eine monatliche Pauschale von 240 Franken erhalten. Gutverdiener mit einem Jahreseinkommen bis zu 71'700 Franken sollen 170 Franken erhalten, Topverdiener ab 71'701 Franken werden noch 100 Franken extra ausgezahlt. Die Zuschläge gelten monatlich und ein Leben lang. Das kann so manche Rente deutlich aufbessern.
Frührentnerinnen können nach der AHV-Reform den Ruhestand erst mit 63, also ein Jahr später, antreten. Dabei gilt wie bisher: Wer früher in Rente geht, muss Kürzungen hinnehmen. Inwiefern die Übergangsgeneration davon betroffen ist, wird noch diskutiert. Schliesslich sind das die Frauen, die sich auf eine frühere Rente eingestellt hatten. Der Nationalrat hat zur Güte niedrigere Kürzungssätze vorgeschlagen, der Ständerat hat hierzu keinen Vorschlag gemacht.