Strategien für einen inflationären Arbeitsmarkt
Fachkräftemangel ist nach wie vor das Schlagwort auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Das heisst aber nicht, dass Arbeitnehmer sich einfach zurücklehnen können. Wer einen Top-Job will, muss sich trotzdem gut verkaufen. Worauf es ankommt.
Trotz anhaltender Pandemie und Unsicherheit in vielen Branchen geht es dem Schweizer Arbeitsmarkt gut – zumindest aus Arbeitnehmersicht. Den rund 116.000 gemeldeten Arbeitslosen (Stand: November 2021) stehen über 232.000 offenen Stellen gegenüber. Zehn Prozent der Gesuche richten sich an Führungskräfte, hat die HR-Analyse-Agentur x28 erhoben. Wer neue Arbeit sucht, hat es also leicht – allerdings nur in der Theorie. Denn die Statistik bedeutet nicht, dass Bewerber sich nun zurücklehnen können. Um ein Unternehmen zu überzeugen und die eigene Karriere nachhaltig zu gestalten, ist die richtige Strategie auch in einem Arbeitnehmermarkt unabdingbar. Das sind die wichtigsten Punkte:
Verlässlichkeit ausstrahlen
Die Welt ist flexibler geworden – im Guten wie im Schlechten. Schnell noch ins Meeting springen, aber den anderen Termin dann kurz vor knapp absagen. Was der Freundeskreis oder enge Kollegen vielleicht noch tolerieren, ist im Bewerbungsverfahren ein potenzielles Ausschlusskriterium. Beim Unternehmen entsteht der Eindruck: So ernst ist es dem Bewerber wohl nicht und sein Interesse an der Stelle gering. Wer einen Job unbedingt will, hängt sich schliesslich voll ins Zeug. Muss der Termin aufgrund eines Notfalls ausfallen, sollten Bewerber zumindest direkt einen alternativen Terminvorschlag parat haben.
Individuell auf Job-Angebote eingehen
Einfach mal ein paar Bewerbungen rausschicken frei nach der Devise „Irgendwer nimmt mich schon“. Dieser Ansatz ist eindeutig der falsche – auch wenn viele Branchen unter Fachkräftemangel leiden. Denn Personalverantwortliche und Recruiter können eine willkürliche und eine wohlüberlegte Bewerbung sofort unterscheiden. Daher sollten Anschreiben und Lebenslauf immer individuell auf die Stelle und das Unternehmen abzielen. So punktet ein Kandidat schon vor dem ersten Treffen oder Telefonat. Geforderte Fähigkeiten und relevante Arbeitserfahrung heben Bewerber besonders hervor. Übertreiben sollte man es dabei aber nicht: Wer sehr gute Englischkenntnisse angibt, muss diese im Zweifel auch im Bewerbungsgespräch demonstrieren können. Ausserdem raten Karriereberater vor überzogener Selbstdarstellung. Akademische Titel wie Master und Bachelor sollten Bewerber nicht betonen, einen Doktortitel hingegen können sie nennen. Allgemein gelte: Bescheidenheit kommt bei den Schweizern besser an als Prahlerei.
Keine überzogenen Forderungen stellen
Klar, der Arbeitsvertrag ist Verhandlungssache. Viele Unternehmen sind bei Neueinstellungen von Fachkräften bereit, ihrem Wunschkandidaten mit einer besseren Bezahlung oder anderen Leistungen entgegenzukommen. Schliesslich wissen sie, wie hart umkämpft manche Profile sind. Ein Konkurrent macht vielleicht ein besseres Angebot. Bewerber sind dann in einer guten Position, neben Gehalt und Aufgaben auch Boni, zusätzliche Urlaubstage und weitere Benefits auszuhandeln. Sie sollten dabei nur nicht übertreiben. Überzogene Forderungen wirken gierig oder gar unverschämt. Sie sind keine Basis für ein gutes Arbeitsverhältnis. Im schlimmsten Fall riskieren Arbeitssuchende eine gute Stelle.
Recruiter und HR’ler aufs Profil locken
Fachkräfte sind rar, besonders in Branchen wie IT und Pflege. Unternehmen und Recruiter gehen deshalb längst proaktiv auf Talentsuche und warten nicht mehr bloss auf ideale Bewerber. Wechselwillige sollten daher ein besonderes Augenmerk auf ihre LinkedIn- oder Xing-Profile legen. Neben einem professionellen Foto und einem aussagekräftigen Lebenslauf dürfen entsprechende Signale an Recruiter nicht fehlen. Auf beiden Plattformen können Nutzer einstellen, ob sie aktuell offen für Jobangebote sind. Wichtig: Soll der eigene Chef davon nichts mitbekommen, können User diese Info nur für Recruiter freigeben. Kollegen und andere Kontakte sehen dies dann nicht. In dem Fall sind Phrasen wie „Ich will mich weiterentwickeln“ oder „Ich suche neue Herausforderungen“ unter „Interessen“ oder „Ich suche“ Fehl am Platz. Diese sehen nämlich auch der aktuelle Chef und Kollegen.
Um nur passende Angebote zu erhalten, formulieren LinkedIn-Nutzer direkt Wunschpositionen und geben den gewünschten Arbeitsort und –umfang an. Bei Xing können Nutzer Wunsch-Arbeitgeber und eine grobe Gehaltsvorstellung nennen. Wer zusätzlich mit eigenen Fachbeiträgen, sachlichen Kommentaren unter Postings und einem guten Netzwerk glänzt, erhöht seine Chancen deutlich. Schliesslich zeigt die Suche besonders aktive und vernetzte User zuerst an. Befolgen Wechselwillige diese Tipps, müssen sie nur noch ihr Postfach im Blick behalten. Denn wer erst zwei Wochen später auf eine Anfrage antwortet, hat seine Chance oft vertan.
Im Guten auseinander gehen
Das geforderte Gehalt ist zu hoch, die Stelle nicht ganz passend oder die lange Kündigungsfrist ein Hindernis. Manchmal klappt es einfach nicht mit dem Jobwechsel. Trotzdem sollten Bewerber immer einen guten Eindruck bei Unternehmen und Recruiter hinterlassen. Wenn sie professionell auftreten und Interesse am Unternehmen zeigen, werden sie vielleicht später noch mal kontaktiert – zum Beispiel, wenn eine passendere Stelle mit mehr Budget frei wird. Oder wenn das Unternehmen auch nicht überzeugt war, war es der externe Recruiter. Die Chancen stehen gut, dass er den Kandidaten einem anderen Unternehmen vorstellt – vielleicht sogar für eine attraktivere Stelle.