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Was kostet Minimalismus?

Autor: Tobias Egli / am

Für Minimalisten gilt: Weniger ist mehr. Verzichten sie auch beim Gehalt?

Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt besitzt rund 10.000 Dinge. Obwohl nur rund 500 dieser Gegenstände regelmässig in Benutzung sind, kommen jeden Monat neue hinzu: Jeder Haushalt gibt rund 20 Prozent seines monatlichen Einkommens für „Sonstiges“ aus, also für Dinge jenseits der grossen Ausgabenblöcke Wohnen – Mobilität – Essen – Steuern – Sparen - Unterhaltung. 210 Franken pro Monat gibt der Durchschnittshaushalt allein für neue Kleidung und Schuhe aus. Die Pro-Kopf-Kaufkraft eines Schweizers liegt bei jährlich rund 47.000 Franken, und die Kauffreude der Schweizer gilt als Stütze der Wirtschaft. Da sammelt sich in den vier Wänden einiges an. Minimalisten empfinden all diesen Besitz als Belastung – und versuchen, sich von allem Überflüssigen zu trennen.


Minimalismus




Aufräumen, Ausräumen, Wegwerfen: Nicht erst seit dem Hype um die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo liegt der minimalistische Lifestyle im Trend. Neun von zehn Schweizern wollen ihren Konsum bewusst reduzieren oder haben dies schon getan. Zahlreiche Blogger und Influencer geben Tipps, wie man mit noch weniger Besitz noch glücklicher werden kann – und liefern sich Challenges wie die „100-things-Challenge“: Wer schafft es, mit insgesamt nur 100 Dingen zu leben? Mit 75 Dingen? Mit 50 Dingen?
Philosophen vermuten hinter diesem Trend zur Reduktion und Vereinfachung eine Gegenreaktion auf eine immer komplexere Lebens- und Arbeitswelt. Wer aufräumt, hat das Gefühl, sein Leben im Griff zu haben: Ruhe. Klarheit. Alles übersichtlich und geordnet. Eine minimalistisch eingerichtete Wohnung ist ein Gegenpol zum hektischen, sich immer schneller verändernden Berufsleben und zu einer Lebenswelt, in der sich viele Menschen durch Digitalisierung und Globalisierung überfordert fühlen.


Nicht selten steht hinter einem Minimalismus-Projekt aber auch die Hoffnung, mehr Freiheit mit Blick auf Job und Karriere zu gewinnen. Die Idee: Wer weniger besitzt und konsumiert, braucht schliesslich auch weniger Geld. Und muss dementsprechend weniger verdienen. Das verschafft die Freiheit, sich einen Job nicht in erster Linie nach der Höhe des Gehalts auszusuchen, sondern nach dem Spass- oder Nützlichkeitsfaktor. Wer wenig besitzt, hat auch wenig zu verlieren – und kann zum Beispiel das Risiko eingehen, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder als Freelancer selbst zu entscheiden, wo und für wen er arbeitet.


Der minimalistische Lebensstil im Privaten greift damit oft auch auf andere Lebensbereiche über – es geht auf einmal um mehr als darum, die Wohnung zu entrümpeln. Kann es gelingen, das eigene Leben insgesamt zu vereinfachen? Verschafft ein minimalistisches Leben Freiheit von finanziellen und beruflichen Zwängen? Viele Minimalismus-Blogger empfehlen, sich nicht auf einen Wettbewerb nach dem Prinzip „Je weniger, desto besser“ einzulassen. Denn das könnte sich rächen: Wer von heute auf morgen seinen Job kündigt, Besitz radikal verschenkt, in eine kleine Wohnung zieht, um dort in mönchsähnlicher Bescheidenheit zu leben, merkt womöglich nach ein paar Wochen, Monaten oder Jahren: Ein bisschen mehr darf´s doch sein. Und: Wer glaubt, beim Minimalismus gehe es darum, möglichst viel Minimalismus zu schaffen und mit immer noch weniger Dingen auszukommen, hat womöglich das Grundprinzip nicht so ganz verstanden.


Denn im Grunde geht es nicht darum, zu entscheiden: Brauche ich drei oder doch vier Tshirts zum Glücklichsein? Sondern um die Frage: Was ist mir wirklich wichtig im Leben?
Statt sich auf 100-Dinge-Challenges einzulassen, könnte daher ein interessanterer Ansatz sein, sich zu fragen: Wie hoch ist mein persönliches „Glückseinkommen“? Also: Wie viel Geld und welche Dinge brauche ich wirklich, um langfristig zufrieden zu sein? Ist es das Schweizer Durchschnittseinkommen von 7124 Franken pro Monat, mit denen das Statistische Bundesamt rechnet? Brauche ich mehr? Oder weniger? Reicht vielleicht ein Lohn von 4.000 Franken, den Gewerkschafter als Mindestlohn durchsetzen wollen, oder komme ich sogar mit noch weniger aus? Auch wer minimalistisch lebt, will schliesslich fair für die eigene Arbeit entlohnt werden. Wer weiss, wie viel er verdienen muss, um sich den gewünschten mehr oder weniger minimalistischen Lebensstil zu leisten, kann sich daraufhin gezielter umschauen: Welche Löhne werden in meinem Traumjob in meiner Traumbranche gezahlt? Kann es sich lohnen, einen Jobwechsel ins Auge zu fassen? Oder hat es mehr Sinn, im bisherigen Job zu bleiben – aber etwa Arbeitszeit zu reduzieren und sich aus allzu einengenden Strukturen zu befreien?


Ein Ansatz könnte zum Beispiel sein, mit dem Arbeitgeber eine Vier-Tage-Woche auszuhandeln, wie sie derzeit vielerorts diskutiert wird. Oder aber das durch einen minimalistischeren Lebensstil eingesparte Geld zu verwenden, um ein Sabbatical oder eine Weiterbildung zu finanzieren. Wer genau weiss, wie viel Geld und Besitz er zum glücklich sein braucht, kann in Gehaltsverhandlungen selbstbewusst auftreten – und so beim Chef am Ende womöglich mehr rausholen als jemand, der seine eigenen Bedürfnisse nicht so gut kennt.


Hinzu kommt: Der Minimalismus-Trend im Privaten findet sein Spiegelbild in den aktuellen New-Work-Trends, die in immer mehr Unternehmen diskutiert werden. Neue Arbeitsmethoden wie Scrum, Holacracy und Design Thinking ziehen in immer mehr Unternehmen ein. So wie Minimalisten im Privaten auf unnütze und überflüssige Dinge und Gewohnheiten verzichten, wollen die New-Work-Verfechter in Unternehmen auf Hierarchien, Statussymbole wie Dienstwagen und Einzelbüro und auf einengende Arbeitszeitmodelle verzichten. Flexible Arbeitszeiten und flexiblere Arbeitsplatzmodelle, die Angestellten mehr Freiheiten gewähren, halten Einzug in den Betrieben. An diese Trends kann anknüpfen, wer mehr Freiheit für ein selbstbestimmteres und bewussteres Leben gewinnen möchte.


So betrachtet, kann der Minimalismus-Trend auch für diejenigen eine wertvolle Perspektive bieten, die einem aufs Nötigste beschränkten, frugalen Lebensstil nicht viel abgewinnen können. Denn der Minimalismus schärft den Blick dafür, was wichtig ist im Leben und im Job – und was wir bereit sind, für mehr oder weniger Gehalt in unserem Leben zu verändern.

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