New Pay: Neues Lohnsystem
Der Lohn, der auf dem Gehaltszettel steht, ist nur ein Teil der Vergütung. Wie sieht ein wirklich faires Gehalt aus?
Was ist eigentlich ein faires Gehalt? Wie viel ist meine Leistung wert? Und: Wer entscheidet eigentlich darüber, wie hoch mein Lohn sein soll? Wer sich zurzeit bei jungen Unternehmen bewirbt, stellt fest: Über die angemessene Höhe des Lohns wird heute vielerorts ganz anders gesprochen und verhandelt als gewohnt.
Denn unter dem Schlagwort „New Pay“ versuchen sich viele Unternehmen derzeit an Experimenten in Sachen Lohn und Gehalt. Da sind etwa die Startups, die jedem Mitarbeiter denselben Einheitslohn zahlen wollen. Chef? Software-Entwicklerin? Marketing-Experte? Teamassistentin? Alle gleich wichtig für den Erfolg des Unternehmens – also sollten auch alle das gleiche verdienen, oder?
Bei anderen Unternehmen werden Bewerber nicht nur als Angestellte, sondern gleich als Miteigentümer angeworben – sie bekommen beim Jobeinstieg nicht einfach ein Gehalt, sondern werden auch Teilhaber zum Beispiel einer Genossenschaft. Einige Startups lassen ihre Mitarbeiter selbst darüber entscheiden, wieviel Geld sie verdienen wollen, oder sie veröffentlichen die Gehälter und lassen alle Kollegen darüber abstimmen, wer eine Gehaltserhöhung verdient hat – und wer nicht. Andere schaffen ein Mindestgehalt für alle oder versuchen, neue und faire Gehaltsformeln zu entwickeln, die den veränderten Rollen, Hierarchien und Funktionen in einer neuen Arbeitswelt gerecht werden.
Was genau sich hinter dem Schlagwort New Pay verbirgt, ist also unübersichtlich. Klar ist: Im Kern geht es darum, gegebene Gehaltsstrukturen und Vergütungssysteme nicht mehr einfach so hinzunehmen. Eine Gruppe von New-Work-Beratern hat sich zusammengetan und das Phänomen „New Pay“ in einem aktuellen Buch untersucht. Die Arbeitswelt-Experten kommen zu dem Schluss: Einerseits werden Unternehmen gerade massiv umgebaut. Flache Hierarchien, flexible Teams, agile Managementmethoden und eigenverantwortlich arbeitende Teams verändern die Art und Weise, wie miteinander gearbeitet wird – und stellen die Machtverhältnisse in Unternehmen auf dem Kopf. Andererseits bleiben Vergütungsmodelle und die Kultur, wie mit Gehalt umgegangen wird, oft im klassischen Muster: Am Ende schreibt der Chef vor, wer wie viel verdient.
Aber wer erreichen will, dass die Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln und unternehmerisch denken, muss damit rechnen, dass sie auch genauer über ihr eigenes Gehalt Bescheid wissen wollen – und dass sie über die Summe auf dem Gehaltszettel auch mitbestimmen möchten.
Bei den Debatten, die dann in den Unternehmen aufkommen, geht es allerdings in vielen Fällen auf einmal um mehr als nur um Geld. Denn meist stellen die Teams schnell fest: Vergütung ist mehr als das reine Gehalt, das am Ende des Monats auf dem Konto landet.
Ein Faktor: Die Kosten für eine angenehme Arbeitsumgebung und Zusatzleistungen. Flexible Arbeitszeiten, kostenlose Obstkörbe oder der Kantinenzuschuss, Firmenhandys, die Möglichkeit, an beliebigen Orten zu arbeiten: Für all das fallen Kosten ab, die Arbeitgeber bei der Kalkulation von Mitarbeitergehältern mit einbeziehen. Mitarbeiter müssen sich also die Frage stellen: Wie viel sind ihnen solche Zusatzleistungen und eine angenehme Arbeitsumgebung den Mitarbeitern wert?
Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt: Mit dem Gehalt drückt sich immer auch eine persönliche Wertschätzung der Mitarbeiter aus. Wessen Arbeit, welche Leistung ist für das Unternehmen und das Team wie viel wert? Bei dieser Frage wird es schnell auch persönlich. Zählt etwa nur die reine fachliche Leistung? Oder sollte auch belohnt werden, wer sich dafür einsetzt, dass es im Team gut läuft und auch mal unangenehme Aufgaben übernimmt? Und: Wer bewertet diese Leistung eigentlich: Der Chef? Das Team? Ein smarter Algorithmus?
In vielen Unternehmen, die sich der Debatte über faire Gehälter und „New Pay“ stellen, tritt bei all diesen Diskussionen und Fragen irgendwann eine gewisse Erschöpfung ein. Mancher fragt sich da wohl auch: War nicht irgendwie alles viel einfacher, als man gar nicht so genau wusste, wer wie viel verdient und wie sich die Gehälter zusammensetzen? Solange man mit dem Gehalt persönlich zurecht kam, musste man immerhin nicht ständig über den Wert der eigenen Arbeit und über die Leistung der Kollegen nachdenken.
Gerade in Unternehmen, in denen das Team immer wieder neu über die angemessene Höhe der Gehälter bestimmen soll, bedeutet das auch einen hohen Zusatzaufwand, dem sich jeder Mitarbeiter stellen muss. Zudem birgt Gehaltstransparenz immer auch die Gefahr, dass es zu Neid und Missgunst und persönlichen Kleinkriegen kommt: Wenn ich dem Kollegen jetzt ein höheres Gehalt genehmige, bleibt dann noch genug für mich übrig? Hat die zickige Kollegin aus dem Marketing wirklich mehr Geld verdient? Schadet es dem Unternehmen und den Kollegen, wenn ich persönlich jetzt auf ein höheres Gehalt bestehe?
Sich all diesen Fragen zu stellen ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Vielen Angestellten würde es wohl schon ausreichen, einschätzen zu können, wie viel Mitarbeiter in vergleichbaren Positionen und mit ähnlichen Kompetenzen und Aufgaben im eigenen Unternehmen, bei Konkurrenten und in anderen Branchen verdienen.
Wie tief sie in die New-Pay-Debatte einsteigen wollen, müssen Unternehmen und Teams daher für sich selbst herausfinden.
Ganz drücken kann sich aber kein Unternehmen vor der Diskussion über faire Gehälter und veränderte Arbeitswelten. Vor allem die junge Generation fordert Veränderungen ein und will sich mit New Pay befassen – und das durchaus zu Recht. „Die Arbeitswelt verändert sich, und damit auch das Bedürfnis, die eigene Rolle und den eigenen Wert im Unternehmen genauer zu kennen“, sagt Lohncheck-Gründer Tobias Egli. „Ein erster Schritt auf diesem Weg ist immer die Lohnfairness. Dabei geht es nicht darum möglichst viel Lohn zu bekommen, sondern die Gewissheit dass alle im Unternehmen gleich behandelt werden.“