Wenn Roboter über unser Gehalt entscheiden
Personalmanager setzen womöglich bald bei der Stellenbesetzung und Gehaltsberechnung auf Künstliche Intelligenz. Was bedeutet das für Arbeitsmarkt und Löhne?
Matilda bringt Bewerber beim Vorstellungsgespräch schnell ins Schwitzen:
Sie kennt jedes Detail der eingereichten Bewerbungsunterlagen,
entdeckt jede Lücke und Ungereimtheit im Lebenslauf.
Eine halbe Stunde lang nimmt sie Kandidaten für offene Stellen ins Kreuzverhör:
Bis zu 76 Fragen müssen sie beantworten, da kennt Matilda kein Erbarmen.
Denn die Recruiterin sieht zwar auf den ersten Blick harmlos und freundlich aus,
ist aber ein Bewerbungsroboter, der auf das Erkennen von Stärken und Schwächen und emotionalen Reaktionen ihres
Gesprächspartners programmiert ist.
Entwickelt haben den kleinen, knubbeligen Mini-Roboter
australische Wissenschaftler.
Mit Hilfe eines intelligenten Algorithmus wertet sie alle Informationen aus Bewerbungsunterlagen und –gespräch aus.
Und gibt am Ende eine Empfehlung: Einstellen oder nicht?
Bewerbungsroboter Matilda mag auf den ersten Blick wie eine Kuriosität wirken –
doch tatsächlich tüfteln diverse Unternehmen und Startups an ähnlichen Modellen. Grosse Unternehmen wie PepsiCo,
IKEA und L´Oreal testen in einigen Ländern ähnliche Roboter bereits im Praxiseinsatz. Der Pharmakonzern Bayer testet den Einsatz von Recruiting-Robotern auf Jobmessen.
Und auch Schweizer Bewerber müssen sich bei Firmen wie der UBS längst mit automatisierten Bewerbungsverfahren wie etwa
Video-Interviews
auseinandersetzen. Gerade bei grossen Konzernen führt heute schon kein Weg mehr an Online-Bewerberportalen vorbei,
in die Kandidaten ihre Daten eingeben und Unterlagen hochladen müssen, wenn sie es in die engere Auswahl schaffen wollen.
Durch Technologien wie Künstliche Intelligenz wird die Auswertung dieser Informationen immer stärker digitalisiert und
automatisiert. Smarte Such-Algorithmen durchforsten Soziale Netzwerke und Datenbanken nach passenden Kandidaten für eine
Stelle.
Matching-Algorithmen schätzen Kompetenzen und Potenzial von Bewerbern ein, geben Prognosen darüber ab,
ob sie sich gut ins Team einfügen – und kalkulieren in Zukunft auf Basis von Markt- und Unternehmensdaten
auch immer häufiger ein angemessenes Gehalt. Durch Künstliche Intelligenz können etwa Video-Aufnahmen von
Bewerbungsgesprächen automatisch ausgewertet werden: Hat der Kandidat bei einer Frage gezuckt?
Welche Sprachmuster deuten darauf hin, dass ein Bewerber nervös ist oder sich überschätzt? Intelligente
Assistenzsysteme wie Chatbots und Roboter werden die Kommunikation mit den Personalabteilungen von Unternehmen
in Zukunft weiter verändern. Auch wer schon einen Job hat, muss sich darauf einstellen, dass Daten über das eigene
Verhalten und die eigene Leistung immer stärker automatisiert ausgewertet werden. In der Schweiz steckt das Roboter-Recruiting
noch in den Kinderschuhen – aber der Trend zum stärkeren Einsatz von digitalen Assistenzsystemen in HR-Abteilungen dürfte
sich auch hier verstärken.
Denn der Fachkräftemangel hierzulande setzt Personaler unter Druck, effizienter zu arbeiten und neue digitale Möglichkeiten auszutesten.
Welche Folgen hat all das für Bewerber, den Arbeitsmarkt und für Gehaltsvereinbarungen?
Manche Experten
hoffen darauf, dass Roboter-Recruiter objektiver und damit fairer und gerechter sein werden als ihre menschlichen Kollegen –
und dass Gehaltsverhandlungen und Jahresgespräche dadurch in Zukunft viel rationaler ablaufen könnten.
Andere Experten fürchten, dass durch fehlerhafte Daten und Algorithmen allzu oft geeignete Kandidaten aussortiert,
wichtige Erfolgsfaktoren übersehen
oder Bewerbungsroboter einfach ausgetrickst werden könnten.
Auch die Frage, wie viele Daten Mitarbeiter Unternehmen überhaupt zur Verfügung stellen müssen und sollten, ist umstritten.
Für Bewerber und Angestellte, die ihr Gehalt verhandeln wollen, ist es in dieser Situation vor allem wichtig, sich der Tatsache bewusst zu werden,
dass digitale Assistenzsysteme im Hintergrund der Personalabteilungen immer häufiger analysieren, bewerten und Prognosen abgeben –
und sich darauf einzustellen. Gleichzeitig können Bewerber die Möglichkeiten intelligenter Analyse- und Assistenzsysteme bewusst
auch zu ihrem eigenen Vorteil nutzen: Portale wie Lohncheck.ch bieten schon heute die Möglichkeit, das eigene Gehalt mit Hilfe von
smarten Algorithmen zu bewerten und abzugleichen, ob der Lohn zum eigenen Marktwert passt oder die Kompetenz- und Leistungsbewertung
der Personalabteilung angemessen ist. So lassen sich den Auswertungen der Roboter-Personaler eigene Daten und Erkenntnisse entgegensetzen –
damit Gehaltsverhandlungen auch in Zukunft noch auf Augenhöhe stattfinden können.